Tränenesser

 

 

Unser Leben ist ein Spiel. Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du.

 

 

 

 

November, Freitag der 13.

 

Nein abergläubisch bin ich nicht. Freitag der 13, war für mich bisher immer ein Tag, wie jeder andere. Bis genau an diesem Tag letzten Jahres meine Mutter starb.

 

Dies war ein Schlag in den Magen. Mit so etwas hätten ich zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet.

 

Ein Ereignis, welches nicht mehr rückgängig zu machen ist.

 

Sie ist einfach weg – für immer.


Als die Nachricht mich erreichte, machte sich sofort ein schreckliches Gefühl in mir breit. Ein dicker Kloß im Hals entstand – der rasant weiter wuchs – bis ich wirklich nach Luft ringen musste. Erst als die Tränen mir die Wangen herunter liefen, konnte ich wieder einigermaßen atmen.

 

Einige Wochen sind seitdem vergangen. Erst jetzt habe ich die Kraft gefunden, dies nieder zuschreiben und meine Erfahrungen mit euch zu teilen.

 

Schlimme Geschehnisse in unserem Leben bewegen uns, unsere Gewohnheiten zu ändern - auch anders zu essen.

 

Ich konnte die ersten Tage keinen Bissen herunter schlucken. Der Kloß im Hals war einfach zu dick und der Schmerz zu groß. Auch am nächsten Tag verspürte ich keinerlei Lust oder Appetit etwas Essbares zu mir zunehmen. Kein Kuchen, keine Schokolade oder sonst etwas.

 

Ich bildete mir ein, meinen Kloß im Hals, mit viel Trinken herunterspülen zu können. Was mir aber natürlich nicht gelang. Um meine schmerzende Seele aufzuwärmen, stieg mein Kaffeekonsum um das Doppelte an.

 

Eigentlich koche und backe ich sehr gerne für meine Familie. Alle Lust und Freude war schlagartig verschwunden.

 

Trotzdem versuchte ich, einen Apfelkuchen für sie zu backen. Zum Einen, um mich abzulenken und zum Zweiten, meiner Familie eine Freude zu machen. Beim Kleinschneiden der Äpfel liefen mir wieder die Tränen die Wangen herunter. Der Spaß und die Fröhlichkeit, die sonst beim Backen aufkamen, ließen mich diesmal im Stich.

 

Mein Magen meldete sich laut knurrend und rief nach Essen. Ich ignorierte es einfach.

 

Will man sich damit selbst bestrafen?

Oder eher, den grässlichen Schmerz durch einen etwas Erträglicheren überdecken?

 

Spät nachmittags kam meine Tochter in die Küche und fragte mich, was ich denn heute schon gegessen hatte. Sie kennt mich halt!

 

„Nichts“, antwortete ich ihr. „Mama, du musst aber etwas essen“. Kurz entschlossen machte sie mir ein belegtes Brot. Normalerweise mache ich ihr etwas zum Essen, diesmal war es umgekehrt.

 

Natürlich musste ich nun auch das Brot essen. Schließlich hatte sie es ja mit Liebe für mich gemacht.

 

Bei meiner Tochter bemerkte ich ebenfalls, dass sich ihr Essverhalten geändert hat. Schon zum Frühstück trank meine Töchterlein eine behaglich warme Hühnerbrühe. Sie brauchte einfach etwas Wärmendes von innen.

 

Ich konnte sie verstehen, denn schließlich war ihre letzte und liebste Oma von ihr gegangen.

 

Schwerwiegende Ereignisse in unserem Leben bringen nicht nur unsere Seele, sondern auch unser Essverhalten durcheinander. Unbewusst ändern wir radikal die Menge und Art der Speisen.

 

Hunger ist das ursprüngliche Signal unseres Körpers, dass ihm Nährstoffe fehlen.

 

Situationen in unserem Leben verleiten dazu, dass wir essen, ohne eigentlich Hunger zu haben:

 

Langeweile, Frust, Ärger oder Trauer.

 

Unser Herz schreit nach Seelenfutter. Mit einem schmackhaftem Mahl oder mit Schokolade möchte man sich die schlimme Lebenssituation versüßen.

 

Mit dem Essgenuss spüren viele, dass sie sich etwas Gutes tun. Seine Seele zu füttern mit der Hoffnung, somit ein besseres Herzensgefühl zubekommen. Es soll der Seele einfach wieder gut gehen.

 


Die andere extreme Reaktion auf erschwerende Lebenssituationen ist der Hungerstreik.
Das Essen wird teilweise oder sogar komplett verweigert. Das Hungergefühl wird ignoriert und durch die herrschende Appetitlosigkeit noch unterstützt.

 

Ich habe mir lange überlegt, ob ich euch meine traurige Geschichte erzählen soll. Aber sie ist auch der Grund, warum ihr in den letzten Wochen wenig von mir gehört oder gelesen habt.

 

Wie ich letztes Jahr erfahren musste, gehöre ich zu den Hungerstreikenden.

 

 Gerne würde ich erfahren, wie sich dein Essverhalten in solchen Lebensituationen verändert. Schreibe mir doch ein Kommentar

 

 

Lust auf ein Abenteuer?

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Kommentare: 2
  • #1

    Sabine Hacker (Dienstag, 16 Februar 2016 13:11)

    Das kann ich so gut nachvollziehen. Als vor einem Jahr meine Mutter starb, war es erst einmal "nicht wahr" für mich. Wir hatten kein so gutes Verhältnis und ich wollte mit ihr noch über so vieles reden. Das war plötzlich nicht mehr möglich.
    Dann hab ich angefangen alles essbare in mich hinein zu stopfen. Ganz schlimm war es, als es darum ging, ihre Wohnung auszuräumen. Meine Schwester hatte meistens dann Zeit, wenn ich nicht konnte und umgekehrt. Mein Mann und meine Kinder haben mich auch meistens hängen lassen und so musste ich alleine ran. Jedes Mal, wenn ich in die Wohnung kam, hab ich erst einmal eine Runde geheult und dann gegessen… alles was ich finden konnte… und als nichts mehr da war, habe ich mir jede Menge essbares mitgebracht. Das ging ein gutes viertel Jahr so.
    Das Ergebnis sind 8kg, die ich zugelegt habe. Ob ich es jetzt Schutzpanzer oder Frustpanzer nennen soll, weiß ich nicht.
    Das ganze habe ich noch immer nicht richtig überwunden und manchmal schwappt plötzlich alles wieder in mir hoch… und ich halte Ausschau nach etwas zum Essen. Ganz schlimm war es wieder um ihren ersten Todestag herum, der gleichzeitig auch der Todestag meiner Schwester ist (sie starb vor fünf Jahren). Und dann war drei Tage später auch noch der Geburtstag meines Vaters, der vor gut sechs Jahren gestorben ist.
    Nächstes Jahr werde ich versuchen, mich auf die letzte Januarwoche gut vorzubereiten, damit mich dieses schwarze Loch nicht so tief rein zieht. Mal schauen, was ich mir einfallen lasse.

  • #2

    Dunja Herrmann (Dienstag, 16 Februar 2016 13:23)

    Liebe Alexandra,

    es fällt mir schwer auf die Frage am Ende deines Beitrags zu beantworten, denn in dem Beitrag steckt eigentlich so viel mehr drin, als das bloße Verhalten, das sich nun zeigt.

    Ich denke, dass solche einschneidenden Erfahrungen immer ein Verhalten verändern - ob es nun das Essverhalten ist oder das Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen oder ein anderes Verhalten. Normalerweise dauern diese Veränderungen einen gewissen Zeitraum an, bis wir das Schlimmste verarbeitet haben. Dazu sind wir von Natur aus in der Lage.

    Hast du dich schon mal mit dem Gedanken befasst, dass der Tod deiner Mutter nicht ursächlich sein könnte für den Hungerstreik? Dass er lediglich etwas aktiviert haben könnte, was schon sehr früh bei dir angelegt wurde? Meine Erfahrung ist, dass diese eigentliche, vorgelagerte Ursache verhindert, dass wir schlimme Erlebnisse auf natürliche Weise verarbeiten können.

    Herzliche Grüße und viel Kraft!
    Dunja